24.06.2024
Autor: Ben Conrady
Der Kreuzbandriss: Ursache, Diagnose und Behandlung
In aller Kürze:
Kreuzbandverletzungen, v.a. des vorderen Kreuzbandes, sind häufige Sportverletzungen, besonders bei risikoreichen Sportarten wie Fußball oder Basketball.
Kreuzbänder bieten Stabilität im Knie. Das vordere Kreuzband verhindert, dass das Schienbein nach vorne gleitet, das Hintere verhindert die Rückwärtsbewegung.
Plötzliche Drehbewegungen oder Traumata sind häufige Ursachen. Oft treten Begleitverletzungen wie Meniskusschäden auf.
Die Diagnose erfolgt durch klinische Tests und MRT.
Die Behandlung kann konservativ (Physiotherapie) oder operativ (Kreuzbandrekonstruktion) sein. Das Ziel ist das Wiedererlangen der vollen Beweglichkeit und Stabilität.
Rehabilitation erfolgt in Phasen: Akutphase (Schmerzlinderung und Heilungsförderung), Frühphase (langsame Belastungssteigerung) und Spätphase (spezifische Wiederherstellung für den Wettkampf).
Prävention durch Stärkung der Muskeln, Verbesserung der Beweglichkeit und Gleichgewichtstrainings ist wichtig, speziell bei Risikosportarten.
Der Kreuzbandriss
Häufig ist das vordere Kreuzband betroffen.
Verletzungen, insbesondere des vorderen Kreuzbandes, gehören zu den häufigsten Sportverletzungen, die Menschen aller Altersgruppen erleiden können. Die sogenannte Kreuzbandruptur tritt oft bei Spielen mit hohem Risiko wie Fußball oder Basketball auf, kann aber auch bei anderen Sportarten vorkommen. Ein (Teil-)Riss oder eine Dehnung des Kreuzbandes kann zu erheblichen Schmerzen und Funktionsverlust führen. In diesem Artikel wollen wir erläutern, wie es zu Kreuzbandverletzungen kommt, wie der Verlauf aussieht und unter welchen Bedingungen eine Rückkehr in den Sport wieder möglich ist.
Was ist ein Kreuzband?
Zunächst ist wichtig zu verstehen, was genau Kreuzbänder sind und welche Funktion sie anatomisch haben. Es gibt das vordere und das hintere Kreuzband. Dies sind zwei starke Bänder, welche zentral im Knie sitzen und sich kreuzen, um so Stabilität zu bieten, insbesondere bei seitlichen Bewegungen und wenn das Kniegelenk in gebeugter Stellung eingestellt ist. Ein Gleiten des Schienbeins nach vorne verhindert das vordere Kreuzband (VKB), während das hintere Kreuzband (HKB) das Gleiten des Schienbeins nach hinten verhindert. Eine Verletzung oder ein vollständiger Riss des hinteren Kreuzbandes ist seltener als des Vorderen.
Ursachen: Warum kommt es zum Kreuzbandriss?
Plötzliche Schub- und Drehbewegungen des Unterschenkels, also Stopps und Drehungen des Kniegelenkes oder direkte Traumata wie Stöße von der Seite oder Landungen, sind Bewegungen, bei denen es besonders häufig zur Kreuzbandverletzung kommt. Sportarten wie Fußball, Basketball, Skifahren und Tennis sind besonders anfällig für derartige Verletzungen. Eine Instabilität des Gelenks durch mangelnde muskuläre Sicherung ist eine häufige Ursache, auch für Wiederverletzungen. In vielen Fällen kommt es bei Rissen des vorderen Kreuzbandes zu Begleitverletzungen wie Läsionen der Menisken oder der Innenbänder.
Diagnostik: Wie lässt sich ein Kreuzbandriss feststellen?
Bei Verdacht auf eine Kreuzbandverletzung gilt es zunächst eine klinische Untersuchung durchzuführen, um die Instabilität des Kniegelenks zu überprüfen. Entsprechend der Funktion der Kreuzbänder wird mit gebeugtem Knie der Unterschenkel gegenüber dem Oberschenkel nach vorne gezogen, die sogenannte vordere Schublade. Beim betroffenen Knie sollte hier im Falle der Verletzung des vorderen Kreuzbandes Bewegung im Gelenk festzustellen sein, die normalerweise durch das vordere Kreuzband verhindert wird. Bei einer Verletzung des hinteren Kreuzbandes würde in diesem Fall die hintere Schublade Aufschluss über die Verletzung geben. Zusätzlich kommt es häufig zu Schmerz während der Tests und bei Belastung, z.B. beim Auftreten. Außerdem wird in den meisten Fällen ein MRT durchgeführt, um den Verdacht zu bestätigen.
Die Therapie: Konservative oder operative Behandlung des Kniegelenks
Die Behandlung von Kreuzbandläsionen hängt von der Schwere der Verletzung und den individuellen Bedürfnissen des Betroffenen ab. In vielen Fällen ist es möglich, konservativ zu behandeln und mit Physiotherapie die volle Genesung zu erreichen. In anderen Fällen kann eine arthroskopisch durchgeführte Operation zur Rekonstruktion des Kreuzbandes erforderlich sein. Insbesondere wenn Meniskusschäden oder Verletzungen von Seitenbändern vorliegen, ist dies der Fall. Ziel der Therapie ist es, nach Einsetzen eines Transplantats oder bei konservativem Vorgehen, die volle Beweglichkeit wiederherzustellen, die Muskulatur zu stärken, um die Stabilisierung des Knies zu verbessern, und schließlich die Rückkehr zum Sport zu ermöglichen. Dazu ist ein Trainingsprogramm mit Übungen zum Kraftaufbau, zur Steigerung der Beweglichkeit und zur Verbesserung des Gleichgewichts und der Wahrnehmung wichtig. Dieses Programm bzw. die Übungen sollten im Verlauf der Rehabilitation immer wieder an den aktuellen Zustand, den die Patient:innen klinisch präsentieren, angepasst und die Anforderungen gesteigert werden. Ist dies nicht der Fall, kann ein falsches Vorgehen oder eine zu lange Ruhigstellung auch zu Degeneration des Knorpels oder Arthrose führen.
Akutstadium: Return to function
Sowohl nach einer Operation als auch nach einer konservativen Behandlung geht es in der Akutphase, d.h. den ersten Wochen nach der Verletzung bzw. Operation zunächst darum, den Heilungsprozess zu fördern und ein Abklingen der akuten Beschwerden zu unterstützen. Neben den Möglichkeiten der Schmerzlinderung und der Wiederaufnahme der Bewegung kann die Durchblutung zur besseren Nährstoffversorgung gesteigert und die Schwellung reduziert werden. Bei der operativen Rekonstruktion wird in den meisten Fällen ein körpereigener Kreuzbandersatz eingesetzt, häufig eine Sehne des Semitendinosus- oder Gracilismuskels aus der Oberschenkelrückseite. In diesen Fällen dauert es, entgegen der konservativen Therapie, zunächst einige Zeit, bis das Transplantat knöchern eingewachsen ist, bevor eine Belastung möglich ist.
Die gravierendsten Langzeitfolgen sind neben den akuten Schmerzen und der Schwellneigung der Kraftverlust und die Bewegungseinschränkung durch die Ruhigstellung und Entlastung des Beines.
Frühphase: Return to activity
Wenn die akuten Symptome weitgehend abgeklungen sind und der Schmerz nicht mehr dauerhaft, sondern eher bewegungs- und belastungsabhängig ist, kann an der aktiven Verbesserung der Beweglichkeit gearbeitet und die Belastung gesteigert werden.
Wichtig ist dabei, sich nicht zu überfordern und dem Körper die benötigte Zeit zur Regeneration zu geben. In der Regel ist es nach sechs bis neun Monaten wieder möglich, vorsichtig sportliche Aktivitäten aufzunehmen, allerdings ist die verstrichene Zeit seit der Verletzung oder Operation sekundär. Viel eher erlaubt das Erreichen gewisser funktioneller Meilensteine, den Sport wieder aufnehmen zu können. Neben Kraftmessungen können auch funktionelle Assessments Aufschluss darüber geben, ob noch Defizite bestehen, welche ein zu großes Verletzungsrisiko beim Wiedereinstieg in den Sport erkennen lassen. Werden alle Anforderungen erfüllt, ist ein schrittweiser Einstieg in den Sport wieder möglich.
Spätphase: Return to competition
Bei Kreuzbandverletzungen treten erneute Risse so häufig wie bei kaum einer anderen Verletzung auf. Grund dafür ist in fast allen Fällen, dass die Rehabilitation die Strukturen nicht ausreichend auf die hohen Belastungen beim Sport vorbereitet hat, bzw. sich der Körper nicht genug angepasst hat. Neben einem Aufbau der Muskelkraft aller Muskeln, die das Kniegelenk bewegen und stabilisieren, und der Wiederherstellung der vollen Beweglichkeit muss auch die reaktive Kontrolle bei Personen, welche wieder in den Wettkampfsport zurückkehren wollen, einen hohen Stellenwert in der Reha einnehmen. Bei Sprüngen, Stopps und Richtungswechseln wirken hohe Kräfte auf das Knie und der Körper arbeitet in hohem Maße mit den reaktiv elastischen Fähigkeiten des Muskel-Sehnen-Apparats. Um wieder ohne Einschränkung an der sportlichen Aktivität teilnehmen zu können, sollte die Rehabilitation stufenweise spezifischer werden, d.h. auch vermehrt Bewegungen beinhalten, die die Sportart dem Körper abverlangt. Darüber hinaus sollte der Wiedereinstieg Schritt für Schritt passieren. Statt sofort zurück in den Wettkampf zu kehren, sollte zunächst auf Körperkontakt und Zweikämpfe verzichtet werden und die Belastungszeit, die Intensität und der Umfang noch reduziert sein. Bei Bandverletzungen ist die Regenerationszeit deutlich länger als bei den Muskeln. Deshalb sollte auch hier nur langsam die Beanspruchung gesteigert werden. So ist mit der Zeit ein vollständiges Training ohne Einschränkungen und schließlich auch die Rückkehr in den Wettkampf erlaubt.
Prävention: Was kann ich tun, bevor es zur Verletzung kommt?
In der Prävention sind die Faktoren sehr wichtig, die die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Verletzung oder einer sicheren Rückkehr zum Sport vorhersagen können. Zu diesen Faktoren gehören im Allgemeinen Kraft, Beweglichkeit und Stabilität. Asymmetrien zwischen den beiden Beinen in diesen drei Bereichen oder Unterschiede zwischen den Muskeln, die bei Bewegungen zusammen- oder gegeneinander arbeiten müssen, können ebenfalls einen Hinweis geben. Um einem Kreuzbandriss vorzubeugen, insbesondere wenn man eine der oben genannten Risikosportarten ausübt, ist es sinnvoll, präventiv an möglichen Schwachstellen oder Ungleichgewichten zu arbeiten.